Was passiert mit uns, wenn wir streiten? (inkl. Tipps für bessere Konflikte)

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In Streitsituationen verändert sich so einiges: Einmal unsere eigene Wahrnehmung, unser Gegenüber und die Beziehung zu einander. Diese Veränderung kann zu schweren Narben in der gemeinsamen Welt führen. Das muss es aber nicht.

In diesem Beitrag zeigen wir Dir was sich während Konflikten in uns tut und wie wir damit umgehen können. Vollgepackt mit Tipps aus der Mediation & dem Konfliktmanagement sollst Du so besser durch Streitsituationen navigieren können. Viel Spaß beim Lesen!

Der Nebel: Unser Sichtfeld & Reaktionen im Konflikt

Stell Dir vor Du stehst auf einem Schiff. Gemeinsam mit Deiner Crew – bestehend aus einer oder mehreren anderen Personen, hält ihr das Steuerrad in der Hand. Ihr habt ein gemeinsames, vereinbartes Ziel und den Zweck Eurer Unternehmung.

Plötzlich zieht Nebel herein, Dein Sichtfeld ist eingeschränkt und Dich überkommt Unsicherheit. Eine Welle schwappt auf den Boden des Schiffes, Du hast das Gefühl ein Gewitter zieht auf und plötzlich sind Deine Füße nass.

Ab ins Rettungsboot? Oder was sollen wir tun?

Gut – wer Seefahrer*In ist, wird sagen „Alles normal. Kann mal passieren“ – andere wird dies mit Unsicherheit erstarren lassen. Ganz ähnlich ist es mit Konflikten. In Konfliktsituationen tritt je nach Grad & Eskalation des Konfliktes Nebel und schwerer Wellengang auf.

Unsere erste Reaktion: Jetzt aber raus hier

Konflikte sind herausfordernde Situationen, die unsere emotionale Sicherheit gefährden. Wir haben also als erste Reaktion „Raus hier“ im Kopf. Jede*r Beteiligte*r am Konflikt hat diesen impulsiven Drang.

  • Dies führt zu Handlungen bzw. Taten, die die Absicht beinhalten wieder eine „Normalsituation“ herstellen zu können.
  • Auch wenn wir manchmal unser Gegenüber als vorsätzlich gemein, blockierend oder ungeschickt wahrnehmen, so liegt dahinter immer die Motivation aus der Situation zu kommen.

Tipp: Nimm Deinen Konfliktpartner*In objektiv unter die Lupe. Warum glaubt diese Person, dass sie mit dieser Tat die Situation verbessert? Du wirst merken, dass dies zu mehr Verständnis führt.


Beispiel: Sabine übernimmt in der Arbeit Aufgaben, die ihr nicht zugewiesen sind. Markus nimmt das als respektlos wahr. Schließlich sind dies seine Aufgaben. In Sabines Wahrnehmung führen die unerledigten Dokumente zu Spannungen mit anderen Teammitgliedern. Außerdem möchte sie Martin entlasten.

Unsere emotionale Wahrnehmung: Unterwegs im Nebel

Spannungen führen in unserer Wahrnehmung zu Veränderungen. Die Auseinandersetzung wirkt sich unmittelbar auf unsere emotionale Wahrnehmung und Beteiligung an der Situation aus:

  • Unsere Wahrnehmung wird getrübt und wir sehen nur mehr eingeschränkt
  • Negative Emotionen werden verstärkt
  • Unser Zugang zur Sachlichkeit wird vernebelt und verliert sich

Umso stärker unser Konflikt vorangeschritten ist, umso mehr verändert sich unsere Wahrnehmung. Dies hat Auswirkungen auf unser Denken, Wollen, Handeln und Fühlen.

Tipp: Stell Dir einen Stuhl auf. Dieser Stuhl ist ein Richter*Innen-Stuhl. Setz Dich auf diesen und versuche wie ein Richter*In objektiv über die Situation zu urteilen. Sammle dafür als erstes die Fakten:

  • Was ist tatsächlich passiert?
  • Was wurde beobachtet?

Die Beobachtungsperspektive hilft uns aus Teufelskreisen auszusteigen bzw. diese zu vermeiden.


Beispiel: Markus sitzt beim Mittagessen mit Kollegen in der Gemeinschaftsküche des Büros und denkt über Sabine nach. Hatte Sie nicht in der Vergangenheit sogar beim letzten Vorstandsmeeting sich einfach zu Wort gemeldet und das Ruder übernommen? „Sabine weiß einfach nicht wann genug ist“, denkt Markus. Als Sabine die Küche betritt und beginnt die Kaffeemaschine zu entkalkten, steigt es in Markus. Sabine muss sich überall einmischen.

Hinweis: In diesem Beispiel siehst Du gut, wie wir in Konfliktsituationen beginnen die Vergangenheit und gegenwärtige Handlungen anderweitig zu deuten. Vermeintlich gute Taten werden negativ ausgelegt und unsere gesamte Wahrnehmung verändert sich.

Meine Wahrheit. Meine. Meine. Meine.

Jede*r Beteiligte lebt in seiner oder ihrer subjektiven Realität. Auch außerhalb der Konfliktsituation ist dies der Fall. Wir können uns auf gegenseitiges Verständnis oder gar Zustimmung einigen, können zugleich nicht den Anspruch auf die einzige Wahrheit erheben.

Tipp: Versuche eine Situation aus einer anderen Sichtweise zu betrachten. Was hat diese Person wahrgenommen oder gesehen? Wie könnte diese Person die Situation deuten?


Beispiel: Sabine fällt auf, dass Markus sie seit Tagen beobachtet. Besonders letzten Dienstag in der Gemeinschaftsküche, hat sie sich nicht wohl gefühlt. Als sie den Raum betrat verfiel Markus sofort in Schweigen und sah ihr genau zu. Als sie sich einen Kaffee machen wollte, merkte sie, dass die Maschine entkalkt werden muss. Da erst kürzlich ein Mail an die Mitarbeiter*Innen gesendet wurde, dass mehr Ordnung im Büro angebracht wäre, und Sabine unter Beobachtung stand, begann Sie die Kaffeemaschine zu entkalken. Markus ist in Sabines Augen wirklich ein Ordnungs-Fanatiker.

Ansteckung: Hast Du schon gehört, was XY gemacht hat?

Den Herausforderungen des Konfliktes sind wir ungern alleine gegenübergestellt. Aus diesem Grund erzählen wir anderen Unbeteiligten von unseren Konflikten und versuchen Sie als Verbündete zu gewinnen. Dies führt oft dazu, dass Streits eskalieren und sich vergrößern.

Tipp: Versuche Dich selber zu beobachten. Wem erzählst Du von Deinen Konflikten? Frag Dich hier zugleich, warum erzählst Du diesen Personen von Deinen Konflikten? Was erhoffst Du Dir davon? Manche Erzählungen entfachen den Konflikt erst.

In unserem Beispiel siehst Du gut, warum Ansteckung oder soziale Koalition den Konflikt weiter entfacht. Die Beobachtung wird mit der eigenen Wahrheit und dem Nebel vermischt und gibt eine neue Realität weiter (Markus hätte darauf bestanden).


Beispiel: Als Sabine beim nächsten Teamausflug mit einer Kollegin spricht, erzählt diese von der Kleinlichkeit mancher Mitarbeiter im Unternehmen und gemeinsam ärgern sie sich über die Email bezüglich der Ordnung im Büro. Sabine erzählt von der genauen Beobachtung von Markus in der Küche und dass dieser quasi darauf bestanden hätte, dass sie die Kaffeemaschine gleich entkalkt. Das ganze war für Sabine sehr unangenehmem, da sie an diesem Tag eigentlich sehr gestresst war und keine Zeit für die Entkalkung gehabt hätte.

Verlust der Empathie

Sind wir in Konflikten gefangen, können wir uns nur schwer in das Gegenüber versetzen und verlieren die Fähigkeit der Empathie. Wir müssen sie gezielt fördern um nicht Gefahr zu laufen das Gegenüber zu entmenschlichen.

Tipp: Verwende den freien Stuhl (siehe Tipp oben) um Dich regelmäßig in Dein Gegenüber zu versetzen und frage bei Deinem Gegenüber nach ob Du die Dinge richtig verstehst.


Beispiel: Bei einem gemeinsamen Termin mit der Vorgesetzten spricht Markus vor allen die Spannungen mit Sabine an. Er weist darauf hin, dass die Aufgaben nicht vollständig erledigt sind und Sabine in Zukunft genauer sein sollte, vor allem wenn sie schon Arbeit von anderen macht. Sabine ist sichtlich überfordert und ringt mir ihren Emotionen. Markus nimmt dies nicht wahr und ist stolz darauf, dass er das im Meeting angesprochen hat.


Das passiert mir nicht…

Du findest die Beispiele hier lächerlich? Das würde Dir nie passieren? Wir alle neigen dazu unsere eigene Gelassenheit zu überschätzen. Diese Gefühlswelt und die oben genannten Punkte sind vollkommen normal und passieren uns allen.

Tipp: Im Konfliktgespräch die Normalität der Emotionen anzusprechen kann helfen den Konflikt zu entschärfen.


Fazit: Wie verhindern wir negativen Nebel

Die emotionalen Veränderungen und der Nebel treten besonders auf, wenn wir Konflikte eskalieren lassen. Frühzeitige Kommunikation, das Bedenken der objektiven Tatsachen und unseres Gegenübers kann solche Situationen vermeiden.

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Quellen

  • Edmüller, A. & Jiranek, H. (2010). Konfliktmanagement. Haufe Lexware.
  • Glasl, F. (2020). Konfliktmanagement: Ein Handbuch für Führung, Beratung und Mediation. Freies Geistesleben GmbH.
  • von Thun, F. S. & von Thun, F. S. (1997). Miteinander reden. Beltz Verlag.

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