In Streit zwischen Erwachsenen einmischen: Wenn ja, wann und wie?

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Wenn sich Zwei streiten, freut sich … im Regelfall in der unmittelbaren Umgebung keine*r. Als Freund*In, Kind, Elternteil oder auch Arbeitskolleg*In gelangt man in manchen Situationen zwischen die Fronten. Ob, ab wann und wie eine Intervention Sinn macht, erfährst Du in diesem Beitrag.

Mit Tipps aus der Mediation & dem Konfliktmanagement ausgestattet, sollst Du so Spannungen lösen und Deinen Mitmenschen zu einem fairen Umgang verhelfen können. Viel Spaß beim Lesen!

Schau genau hin: Wer ist beteiligt?

Bevor wir uns über die Intervention als Maßnahme unterhalten können, müssen wir den Konflikt einmal analysieren. Eine kleine Übung kann Dir dabei helfen das Wesentliche zu identifizieren.

Übung: Konfliktanalyse // ca. 10 Minuten

Hierzu kannst Du Dir einen Stift und ein Blatt Papier nehmen:

  1. Male einen Kreis in die Mitte des Blattes mit Deinem Namen.
  2. Wer ist beteiligt am Konflikt? Male für jede*n Beteiligte*n einen Kreis auf dem Papier. Die Kreise sollten rund um Dich herum gegliedert sein.
  3. Analysiere jeden Kreis um Dich – Lass Deinen Kreis also aus:
    Ist diese Person Erwachsen? Volljährig? Voll Handlungsfähig? Schreib es zu jedem Kreis hinzu – auch wenn es sich wiederholt. Vorerst musst Du nur diese Fragen beantworten.
  4. Zieh von Dir zu jedem Kreis am Papier eine Linie und beschrifte Sie:
    Wie stehst Du in Verbindung zu dieser Person in diesem Konflikt? Gerne bist Du eingeladen neben objektiven (z.B.: Bruder, Arbeitskollege…) auch subjektive, persönliche Begriffe zu verwenden wie z.B.: Freund, Partnerin, Schuldige, Opfer…
  5. Dreh das Blatt um und male auch dort wieder einen Kreis auf mit der Beschriftung: Ich und der Konflikt. Sammle nun rund um diesen Kreis wie in einer Mindmap Deine Gedanken:
    Wie beeinflusst Dich dieser Konflikt? Welche Auswirkungen hat dieser Konflikt auf Dich und Deinen Alltag? Achte darauf konkrete Auswirkungen zu identifizieren.
  6. Erstmal durchatmen und 5 Minuten Pause.
  7. Komm zurück zu Deinem Zettel und schau als erstes auf die Seite mit den Beteiligten. Markiere alle positiven Begriffe in einer für Dich positiven und alle negativen Begriffe in einer für Dich negativen Farbe.
  8. Dreh den Zettel um und prüfe Deine Auswirkungen: Welche Auswirkungen sind Schein-Auswirkungen? Schein-Auswirkungen geben wir im Alltag gerne als Einschränkungen an obwohl sie nicht tatsächlich eine solche für uns darstellen. Beispiele: „Konflikt nervt.“, „Sabine redet mich immer zu mit Kritik über Markus.“, „Geht nicht mehr so weiter.“ – dies sind unsere Wertung & Interpretation bzw. können von uns beeinflusst werden. Sabine kann uns auch nur „zu-texten“, wenn wir uns nicht abgrenzen.

Nachdem Du diese Übung gemacht hast, wird es Zeit Dich selber zu fragen: Wie fühlst Du Dich jetzt? Beobachte Deine Emotionen. Gerne kannst Du diese auf dem Zettel ergänzen und benennen. Mögliche Gefühle können sein: erleichtert, gestresst, genervt, erlöst, zuversichtlich,…

Erwachsene: Selbstverantwortung?

In Deiner Konfliktanalyse kannst Du drei wesentliche Punkte identifizieren, die hier besonders wichtig für Dich sind:

  • Wie stehst Du zu den Konfliktparteien?
  • Wer sind die Konfliktparteien?
  • Bist Du eine Konfliktpartei?

Wenn Du Elternteil bist, hast Du gegenüber Deinen Kindern eine Erziehungs- & Sorgepflicht. Diese kann auch das Einmischen in Konflikte beinhalten.

Wenn Du Führungskraft bist, hast Du gegenüber Deinen Mitarbeiter*Innen eine Führungsverantwortung – auch dies kann das Einmischen in Konflikte beinhalten.

In allen anderen Fällen machen wir jetzt eine Annahme: Wir haben es mit erwachsenen Menschen zu tun, die eine Selbstverantwortung übernehmen können. Punkt. Genau diese Annahme müssen wir vorrangig akzeptieren. Auch für uns selbst gilt diese Annahme. Es liegt also in erster Linie unsere Verantwortung darin, wie uns der wahrgenommene Konflikt einschränkt bzw. welche Auswirkungen dieser auf uns hat. Doch um hier Verantwortung übernehmen zu können, müssen wir die gängigste Gefahr kennen – das Drama-Dreieck und prüfen ob wir nicht Teil des Konfliktes sind.

Gefahr: Drama-Dreieck – und schon bist Du mit dabei

Schon in Kindestagen bekommen wir in Märchen einige Rollen präsentiert:

  • Das Opfer
  • Den Täter/Die Täterin
  • Den Retter/Die Retterin

Der böse Wolf frisst die arme Großmutter – wie gut, dass es den Jäger gibt.

In Konflikten schaffen wir oftmals durch das Einmischen genau diese Konstellation. Wir versuchen als Retter*In das Opfer zu retten und den bzw. die Täter*In zu entlarven. Dabei befeuern wir Konfliktdynamiken und werden gerne auch selber Täter oder Täterin. Das Drama-Dreieck dreht sich nämlich unaufhaltsam und jede*r Beteiligte*r nimmt zu unterschiedlichen Zeitpunkten, unterschiedliche Rollen ein. Also sollten wir am besten gar nicht daran teilnehmen.

Schau noch einmal zurück auf Deine Konfliktanalyse. Welche Farbe dominiert? Die positive oder die negative? Oder gar keine? Wenn wir uns schon auf eine Seite geschlagen, über den Konflikt zahlreiche Gespräche geführt und Partei ergriffen haben, ist es für uns unmöglich als Ausstehende*r allparteilich den Konflikt zu lösen. Wenn dies der Fall ist, so sind wir besser darin aufgehoben jemanden professionellen Heranzuziehen wie zum Beispiel eine*n Mediator*In.

Allgemeine Tipps um nicht in das Drama Dreieck einzusteigen

  • Versuche nicht wertend bei einer Konfliktpartei über die andere zu sprechen.
  • Wenn das Gespräch sich um den Konflikt dreht, schildere die Auswirkungen des Konfliktes auf Dich.
  • Einer Konfliktpartei zuzuhören, sollte geprägt sein vom Satz „Ich verstehe“. Vermeide: „Ich weiß genau was Du meinst“, „Das habe ich mir auch schon gedacht“ oder Sätze wie „Das ist typisch“.
  • Grenze Dich ab und trete für Dich ein – nicht für die Position einer Konfliktpartei.

Um das Drama Dreieck zu verhindern und auch nicht Gefahr zu laufen Teil des Konfliktes zu werden, solltest Du folglich Dein Ziel bedenken.

Tipp für das Einmischen in Konflikten: Dein Ziel

Setze Dir als Ziel nicht das Retten der Beteiligten bzw. das Wiederherstellen der Harmonie, sondern das Beseitigen der Einschränkungen des Konfliktes für Dich. Wenn Deine Intervention als Nebeneffekt das andere macht, gut – wenn nicht: auch gut.

Die Auswirkungen für Dich Analysieren & ansprechen

Wir haben also festgestellt, dass der Fokus auf dem Beheben der negativen Auswirkungen für Dich und Deinen Schaffensraums sein sollte. Also musst Du diese genau anschauen – die Übung vom Anfang dieses Beitrages sollte Dir dabei helfen:

  • Wie und wo schränkt der Konflikt Dich ein?
  • Wer ist bei den Einschränkungen beteiligt und hat die Kompetenz die Einschränkung aufzuheben? Bei Schein-Einschränkungen bist es meistens Du selbst.

Nun geht es darum dies mit den Konfliktbeteiligten abzugleichen und gezielt mit den richtigen Personen ein Gespräch zu suchen. In dem Gespräch möchtest Du die Auswirkungen des Konfliktes FÜR DICH bzw. AUF DEINEN ALLTAG ansprechen und gemeinsam mit dieser Person unabhängig vom Konfliktstadium für Deine Einschränkungen eine Lösung finden.

Was kann dabei passieren:

  • Der Konflikt wird als General-Ursache für alles verwendet (z.B.: Auswirkung: Umsatz im Unternehmen ist gesunken wegen Konflikt)
  • Der Konflikt wird von außen größer wahrgenommen als von den Beteiligten
  • Du ergreifst durch Dein Gespräch Partei.

Um diese Gefahren zu bedenken, solltest Du…

  • Die Ursache der Auswirkungen genau unter die Lupe nehmen und Dich auf Beobachtungen und nicht Interpretationen stürzen.
  • In Erwägung ziehen mit den Beteiligten ein Gespräch zusammen zu suchen oder die Verantwortlichkeit prüfen – vor allem im Arbeitskontext kann das Gespräch mit einem Vorgesetzten auch eine Option darstellen.

Ich habe einen eigenen Beitrag für das Ansprechen von Konflikten geschrieben, der Dir bei der Vorbereitung für Dein Gespräch helfen kann: „Ich möchte reden“: So klappt das Ansprechen von Konflikten

Fazit: Bleib bei Dir.

Das Einmischen in Konflikte ist eine herausfordernde Sache. Umso länger ein Konflikt besteht, umso schwieriger wird es diesen durch eine Intervention zu lösen. Hier kann eine unparteiische, professionelle Intervention durch einen Mediator*In, Coach oder Therapeut*In zielführender sein.

Für die Einmischung in den Konflikt kannst Du folgende fünf Tipps mitnehmen:

  1. Nimm‘ Dir Zeit und analysiere Deine Rolle im Konflikt: Bist Du wirklich kein*e Beteiligte*r?
  2. Triff die Annahme der Selbstverantwortung – vor allem bei Erwachsenen.
  3. Spiel nicht den/die Retter*In! Ohne eine dritte Rolle gibt es kein Drama-Dreieck.
  4. Konzentriere Dich auf die Auswirkungen, die der Konflikt für Dich hat.
  5. Plane Dein Gespräch, in dem Du die Auswirkungen des Konfliktes für Dich adressieren möchtest.

Hinweis: Ich bin mir bewusst, dass die Intervention bei Konflikten zwischen Kindern oder im Falle von schutzwürdigen Personen anders aussieht. Ein „statischer, thematisch abgegrenzter“ Beitrag wird nie die Beratung durch jemanden professionellen ersetzen und auch nicht alle Situationen bedenken können. Bitte prüfe daher Deine Situation im Zweifelsfall direkt mit einem/einer Experten/Expertin.

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